Rapin, René: Hortorum Libri IV. Die Gärten – Gedicht in vier Büchern (Berlin 2012)

Viele Publikationen mit dem Thema „Garten“ sind (vermehrt seit dem 16. Jahrhundert) der Forschung bekannt. Eine der berühmtesten ist sicherlich jene von Antoine Joseph Dezallier d'Argenville mit dem Titel „La Théorie et la Pratique du Jardinage ...“. Sie wurde ab 1709 in zahlreichen Auflagen bis 1764 nicht nur in Französisch publiziert, sondern auch in viele europäische Sprachen übersetzt und war gleichsam eine Bibel für jeden anspruchsvollen Gartenbesitzer bis zum Ende des Barocks. Aus der frühen Zeit der glorreichen Epoche von König Ludwig XIV. um 1665 war jedoch bis jetzt – wenigstens was den deutschen Sprachraum betrifft – kein umfassendes Werk in diesem Zusammenhang bekannt. Umso wichtiger erscheint es, dass die Pückler Gesellschaft in Berlin endlich das umfangreiche Gartengedicht des Jesuitenpaters René Rapin (1620–1687) herausgegeben hat, das – in lateinischer Sprache verfasst – von Claudia Sperlich meisterhaft ins Deutsche übersetzt und von Clemens Alexander Wimmer wissenschaftlich präzise kommentiert bzw. tiefschürfend in die allgemeine europäische Gartengeschichte eingebaut wurde. Rapin schrieb mehrere Werke philosophischer und theologischer Natur, sein Gartengedicht zählte jedoch zu den bekanntesten Schöpfungen für ein gebildetes Publikum, welches Vergils(1) Sprache im späten 17. Jahrhundert noch perfekt beherrschte.

Auch danach konnten die „Hortorum libri IV.“ weit verbreitet zwischen 1665 und 1780, also tief in die Epoche der Aufklärung hineinreichend, siebenmal aufgelegt werden. Diese Ausgaben zeigten entsprechend der politischen und geschichtlichen Situation immer wieder kleinere oder größere Veränderungen. Das Frontispiz des königlich privilegierten ersten Exemplars (1665) wurde sogar vom berühmtesten französischen Maler der Zeit, Charles Le Brun entworfen und als eine Verherrlichung von Guillaume de Lamoignon verstanden, dessen Söhne in Baville von Rapin erzogen wurden. So kam dieser Autor in die besten Kreise der französischen Gesellschaft bzw. in den literarischen Salon von Baville, wo Persönlichkeiten wie Racine, La Fontaine, Madame de Sévigné, Boileau, der Architekt Francois Blondel u.v.a. häufig zu einem regen Gedankenaustausch zusammengekommen waren. Die Verbindung zu dem von Rapin sehr geschätzten kunstsinnigen Finanzminister Fouquet musste ab 1665 jedoch im Gefängnis von Pignerol fortgesetzt werden, denn Fouquet hatte durch den Bau der prunkvollen und künstlerisch innovativen Schloss- und Parkanlage Vaux le Vicomte den ehrgeizigen jungen König Ludwig XIV. dermaßen verärgert, dass er Fouquet nach einem luxuriös inszenierten Fest gefangen setzen ließ. In der Entstehungszeit des Lehrgedichts von Rapin entstanden dann die vielen Pläne von Le Notre für den Garten von Versailles. Der königliche Gärtner hatte damit den Jesuitenpater wie schon im erwähnten Vaux le Vicomte vor allem durch seine bahnbrechenden Erneuerungen betreffend die freiräumliche Raffinesse und auch durch neue Parterreschmuckformen zu großer Bewunderung veranlasst.

Das modernste Element von Rapins Gartenbuch war nicht nur seine engagierte Orientierung nach Vergils Georgica (oder Columellas De cultura hortorum) – wie Wimmer schreibt –, die schon im 16. Jahrhundert verehrt und verwendet wurden, sondern auch seine Fähigkeit den „Garten“ das erste Mal als selbständige Kunstgattung zu definieren. Um diese Zeit gab es noch keine Diskussion über die Verschmelzung von Natur und Kunst (wenn man vom J. Bonfadios Begriff „terza natura“ aus der Zeit um 1540 absieht). Es ging nicht um den malerischen Landschaftscharakter der Gärten wie später im 18. Jahrhundert (der Abbé Delille kritisierte Rapin wegen dieses Mangels scharf, wie es Michael Seiler in seinem Vorwort festhielt), wohl aber handelte es sich auch um eine eingehende Analyse und kunstvolle Charakterisierung der Natureigenschaften in den vier Kapiteln über die Blumen, die Bäume, die Gewässer und die Obstsorten. Das Opus Horti war kein abstraktes Lehrgedicht, sondern auch eine Propagierung der verschiedensten und neuesten gärtnerischen Methoden zwar künstlerisch anspruchsvoll verfasst, aber auch wissenschaftlich geordnet und mythologisch verklärt, gedacht für die hohen und höchsten sozialen Schichten zur Allgemeinbildung. Man kann eindeutig sehen, dass Rapin in diesem Gedicht nicht nur aus den literarischen Vorlagen, sondern auch aus dem gärtnerischen Erfahrungsraum der Praxis schöpfte. Fast jede anspruchsvolle Bibliothek hatte diese Hortorum libri IV. (in Deutschland spätestens seit dem 18. Jahrhundert) besessen. Dort (wie auch in Österreich) war aber Dezallier d’Argenvilles 1709 erstmals veröffentlichtes Werk „La Théorie et la Pratique du Jardinage“ (welches bis Russland verbreitet wurde) viel einflussreicher als Rapins lateinisch geschriebenes Gedicht. Dazwischen lag freilich die schrittweise fertiggewordene Gartenanlage von Versailles im strahlenden Glanz des Sonnenkönigs als großes Vorbild für die zahlreichen europäischen Fürstenhäuser außerhalb Frankreichs.

Wie Wimmer ausführt, benützte Rapin zahlreiche Quellen zu seiner Arbeit in einer Zeit, als weder die Bemerkungen von J. B. de La Quintinye (1626–1688) zum „potager du roi“ bekannt waren noch Dezallier d’Argenvilles schon erwähntes Buch erschienen war. So musste der französische Jesuitenpater aus den vorhandenen Spezialschriften eine mehr oder weniger neue universale Gartenbetrachtung entwickeln. Es werden in diesem Zusammenhang die Hausvaterbücher von Estienne/Liébault (1564) und de Serres (1600) sowie die Gartentraktate von Boyceau (1638), André Mollet (1651), Claude Mollet (1652) und Charles Morin (1658) erwähnt. Zum Wasserbau wurden die Werke von Père Jean Francois (1653 bzw. 1664) zu Rate gezogen, bei der Darstellung des Obstbaues konnte Rapin die zeitgenössisch modernen Traktate von Bonnefons (1651), Le Gendre (1652) und Triquel (1653) heranziehen.

Rapins Verständnis für die Gartengeschichte ist in mancher Hinsicht zwiespältig: einerseits betont er die Überlegenheit der Moderne seiner Zeit gegenüber der Antike in den gärtnerischen Errungenschaften, in literarischer Hinsicht aber erkennt er den absoluten Vorbildscharakter der berühmten Autoren des Altertums an. Die paradiesische und konstante Existenz der antiken Welt als unerschöpfliche Schatzgrube für die Gartenkunst wurde damals noch nicht aufgegeben, moderne Anlagen jedoch stolz als Beispiele einer Erneuerung erwähnt. Es beginnt langsam die philosophisch-künstlerische Relativierung der Antike, die über das 18. bis zum 19. Jahrhundert voranschreitet.

Wimmer zitiert Rapin:

„Was der Landleute Ahnen hierzu geschrieben, prüfe Vorher. Denn zu alter Sitte und jenen Künsten Gab unsre Zeit hinzu so überreichliche Schätze, Dass sie weit übertroffen die hergebrachte Kulturform.“

1782 wurde in den Text von Rapin lange nach seinem Tod eine neue Formulierung integriert, die freilich um 1665 mit dieser Klarheit noch unmöglich gewesen wäre: „Notre culture est bien supérieure à celle des nos Ancetres“. Die Antike wurde an verschiedenen Beispielen kritisiert, um die Großartigkeit der Gegenwart hervorzuheben (Charles Perrault [1623–1703], „Le siècle de Louis le Grand“, 1687). Der Architekt Claude Perrault (1613–1688) führte eine Diskussion unter dem Titel „Parallèle des anciens et des modernes“ (1688) weiter, die unter Umständen als ein erster Schritt in Richtung „Historismus“ interpretiert werden könnte. Wimmers Behauptung jedoch, dass Rapin durch sein Gartengedicht erstmals „die Antike auf einen historischen Platz verwies“ kann nicht in dieser Schärfe akzeptiert werden. Dies geschah sicherlich erst zur Zeit der französischen Aufklärung (Voltaire, Diderot, Rousseau) sowie in den Werken Winckelmanns im 18. Jahrhundert, als die Gegenwart nicht mehr als ein überlegener Sieger bejubelt wurde und die Geschichte – von dieser abgesetzt – in ihrer Entwicklung immer mehr objektiv beurteilt werden konnte.

Rapin schuf keine grundlegend neue Struktur für seine Theorie der Gartenkunst, er hielt weiterhin an der Vierteilung der Gartenfunktionen fest: Bei Vergil in der „Georgica“ (vg. Anm. 1) wurden folgende vier Bestandteile des Gartenbaus genannt „1. Ackerbau, 2. Obstbau, 3. Viehzucht, 4. Blumen- und Bienenzucht“; in der französischen Gartenkunst der Renaissance sind es 1. „potager“, 2. „bouquetier“, 3. „medicinal“ und 4. „fructier“ (Küchengarten, Blumengarten, Heilpflanzengarten und Obstgarten) charakterisiert; und schließlich bei Rapin die 1. „flores“, 2. „nemus“, 3. „aquae“ und 4. „pomarium“ (in ihren Aufstellungsorten wie Parterre, Boskett, Wasserkünste und Obstgarten). Hier zeigt sich der lange Weg von einer ökonomischen Auffassung zu einer Betrachtung des Gartens, die immer mehr auch ästhetische Aspekte berücksichtigt. Diese seit der Antike vorhandene Tradition – nämlich dass Wirtschaft und Kunst im Garten unzertrennlich waren – konnte bis zum Ende des Barocks nicht völlig abgeschüttelt werden.

In der Renaissance bezeichnete man in Italien außerdem die Gartenkunst als „terza natura“ (1. wilde Natur, 2. Agrarnatur und 3. Garten als Kunst-Natur); der Begriff wurde von Jacopo Bonfadio 1541 eingeführt. Dieses philosophische Prinzip scheint wichtiger zu sein als die praktische Vierteilung der Funktionen; es überlebte eigentlich bis heute jede systematisch überdachte Gartengestaltung. Die Trennung von Gartenkunst und Gartenbau war also ein dialektischer Prozess, der auch durch die englischen Landschaftsgärten nicht abgebrochen werden konnte.

So gesehen ist es nicht sicher, dass Rapin durch die Ausklammerung der Nutzgärtnerei eine „reine“ Gartenkunst vertreten hatte; der Obstbau blieb nicht deshalb in sein Werk einbezogen, weil „er ein hohes Maß an Kunst erforderte und Gegenstand der Beschäftigung der Oberschicht war“ (Wimmer, S. 28), sondern deshalb, weil der ökonomische Faktor des Gartens im 17. Jahrhundert noch nicht wegzudenken war. Auch noch um 1800 und dann um 1900 war es schwierig, die Gartenkunst im „Ehrentempel“ der „artes liberales“ zu verankern, obwohl sich viele Autoren (erfolglos?) bemühten seine diesbezügliche Definition zwischen „Architektur“ und „Malerei“ fest zu machen. Auch in einer anderen Hinsicht war Rapins Methode der Gartenwürdigung nicht ganz neu, denn er verwendete bei der Beschreibung der Pflanzen (mit ihrem Charakter und ihrer Form) immer wieder Vergils und Ovids „Erklärungssagen (Ätiologien)“. „Für Rapin waren die Fabeln ein wesentliches Element der poetischen Ausschmückung. In seiner Verteidigung in der ‚Praefatio’ von 1666 verweist er außerdem auf ihren moralischen Wert. Nicht zufällig begann Le Notre 1666, nach einer Anregung von Charles Perrault, in Versailles das Labyrinth mit Darstellungen Äsopischer Fabeln anzulegen“ (Wimmer, S. 32).

Das zwiespältige Verhältnis Rapins zur Legitimation der Gartenkunst – einerseits sie aus dem Vorbild der Antike abzuleiten, andererseits ihre Modernität wirksam zu loben – kommt auch in der Behandlung der Pflanzen vor. Ihre Namen wurden häufig verändert, „um sich auf die entsprechenden Stellen bei Ovid und Vergil berufen zu können“ (Wimmer, S. 33). Rapin bemühte sich zwar um eine genaue botanische Charakterisierung der Pflanzennamen (er fügte auch eine Erklärung in französischer Sprache zu), die Reihenfolge der Pflanzen blieb jedoch nicht wissenschaftlich: die Blumen werden in der Reihenfolge ihrer Blütezeit, die heimischen Bäume entsprechend ihrer Bedeutung (Prominenz), die Gewässer nach ihren technischen Gestaltungsmöglichkeiten und die Obstsorten ohne sichtbare Ordnung behandelt.

Zum Schluss seien einige beispielhafte Texte Rapins in der deutschen Übersetzung von Claudia Sperlich als Anregung zum vertieften Studium zitiert:

In der „Praefatio“ ist zu lesen:

„Da schließlich die Vollkommenheit des Gartenbaus bei uns soweit gediehen ist, dass ihr offenbar nichts zur Eleganz fehlt, werde ich dem Anspruch nicht genügen, mit wie viel Mühe ich auch ihren so hohen Ruf erfassen mag. … Dazu kommt noch, dass unserer Zeit, die weit mehr als frühere auf gärtnerische Werke neugierig ist, etwas von jener Lieblichkeit gewährt wird, die teils durch die Bildung der Zeit, teils durch den Fleiß der Gärtner zum Gipfel gelangte. So gelangen meiner Meinung nach aus jener Verbindung der Teile, durch die wir nun Gärten vollenden, Gestalt und Schicklichkeit zu einer Vollendung, der nichts zum höchsten Ansehen der Gartenkunst fehlt“.

„Liber Primus. Flores.“ (die Blumen)
„Vormals standen fern der Kunst die Belange des Gartens:
Keine Zierlichkeit forderten sie und kein schmückendes Beiwerk.
Rosen hättest du oft zwischen Bauernkräutern gesehen,
Und die Wege waren nicht abschnittsweise geordnet
Auf dem Boden und abgetrennt durch den grünenden Buchsbaum.
Flora aber verlangte als erste die kunstvolle Pflege,
Als sie des efeutragenden Bacchus gefeiert.“


„Tulpe
Diese Blume, die nun in den Gärten herrscht, war einstmals
Jungfrau bei den Delmaten, der Nymphe des Flusses Timavus
Und des Proteus Tochter.

...
Was als goldener Reifen glänzte im glatten Haare,
Was die Bändchen und Schleifen waren auf ihrem Haupte,
Wird verwandelt in Blätter, und ein zierlicher Stängel
Wird aus der runden Brust, der sich ragend hebt von der hohen
Üppigkeit ihrer Blätter; gerade vom Wipfel des Stengels
Formt die Blume in länglichem Kreise einen zum Himmel
Weisenden Kelch, und dieser krönt sich mit sechsfachem Blatte,
Wo sie die Farben alle, so viel die Natur hat, verbreitet.“

Géza Hajós

1 Vergils Name wird konsequent und falsch als Virgil geschrieben. Der hl. Virgil war ein bekannter Bischof von Salzburg im 8. Jahrhundert (vgl. auch Der große Brockhaus, Bd. 12. Unk-Zz [1957], S. 209: „Virgil, vielfach fälschlich für Vergil“).

René Rapin: Hortorum Libri IV. Die Gärten – Gedicht in vier Büchern (textkritische Ausgabe und Übersetzung) hrsg. von der Pückler Gesellschaft e. V. in Verbindung mit der Bücherei des Deutschen Gartenbaues e. V. Mitteilungen der Pückler Gesellschaft e. V. Berlin, Heft 26 – Neue Folge – 2012. 283 Seiten, m. einigen SW Abbildungen. EUR 49,90